LEA – Leben. Erfahren. Angehörig sein. Wenn das Leben uns in die Rolle der Angehörigen drängt
- Karoline Pahsini
- 29. Nov.
- 3 Min. Lesezeit
Manchmal passiert etwas, das das eigene Leben leise, aber grundlegend verschiebt.
Es beginnt mit Sorge und endet mit Ohnmacht, mit dem Gefühl, einem geliebten Menschen nicht helfen zu können, ihn sogar zu verlieren. Und irgendwann findet man sich in einer Rolle wieder, auf die einen niemand vorbereitet hat: Angehörige:r.
In den letzten Jahren haben wir, Uli Marinschek und ich, Karoline Pahsini, genau das erlebt.
Ein Mensch, der uns unglaublich wichtig ist, geriet durch seine psychiatrische Erkrankung in einen Ausnahmezustand. Plötzlich war nichts mehr, wie es war.Ich suchte Hilfe: in Kliniken, bei Fachstellen, in Beratungszentren. Doch überall ging es nur um die betroffene Person. Uns wurde gesagt: „Ihre Angehörige ist psychiatrisch krank, um sie müssen wir uns kümmern und nicht um Sie.“
Und so fühlte ich mich/wir uns zurückgelassen. Zurückgelassen mit der Sorge, der Angst, der Erschöpfung, und dem Gefühl, dass niemand wirklich versteht, wie sich das anfühlt.
Das eigentlich Bittere daran: Ich bin selbst Klinische Psychologin.
Ich kenne die Strukturen, die Abläufe, die Sprache. Ich weiß theoretisch, was helfen würde. Aber all das nützt einem wenig, wenn man selbst mittendrin steckt. Wenn man mit seinen Emotionen, seinen Sorgen und Ängsten und der Flut an Informationen, Diagnosen und Behandlungsmöglichkeiten so überwältigt ist, dass man kaum mehr atmen kann.
Man sieht zu, wie der Mensch, den man liebt, immer weniger wird und langsam geht.
Es fühlt sich wie nachfolgend an: Hilflos im System gefangen, unfähig, das zu stoppen, was passiert.
Dann kam der nächste Schlag: der Tod von unserer Mutter/Schwiegermutter. Innerhalb weniger Tage mussten wir eine Beerdigung planen, Entscheidungen treffen und funktionieren. Niemand fragte, wie es uns dabei ging. Es gab keinen psychologischen Beistand, keine Begleitung, kein Auffangnetz direkt auf der Intensivstation in Graz - man wurde angepöbelt, ob man denn nicht verstünde, was gerade passiert. Nein, natürlich nicht, wie sollten wir denn auch? Wir wurden darauf nicht vorbereitet. Der Tod kam schnell und unerwartet.
Danach muss man funktionieren, quasi im Roboter-Modus, wie man so sagt. Und wenn der Alltag wiederkehrt, ist da vor allem eine Leere. Ohne unsere Familie, ohne Tanten und Onkeln, die schon Beerdigungen erlebt hatten, wären wir völlig überfordert gewesen. Unsere eigene Trauer hatte in den ersten Wochen kaum Platz, die Institutionen interessierten sich nicht.
Es gab keinen Raum für das, was uns wirklich bewegte: die Überforderung, die Angst, die Schuldgefühle und die Hilflosigkeit.
Diese Jahre haben Spuren hinterlassen. Aber sie haben auch etwas in Bewegung gesetzt.Irgendwann, im spät Frühling 2025, stolperte ich über die Ausschreibung der Steiermärkischen Sparkasse zum Fördertopf #weltvonmorgen“. Und in mir entstand ein Gedanke, ein Funke: Was wäre, wenn wir selbst den Raum schaffen, den wir so dringend gebraucht hätten?
So entstand LEA – Leben. Erfahren. Angehörig sein.
Ein Projekt, das ich gemeinsam mit Uli Marinschek – Mentalcoach und selbst Angehörige – ins Leben gerufen habe. Ein Raum für Menschen, die miterleben, mittragen und mittrauern.
Für all jene, die im Hintergrund wirken und deren Stärke oft unsichtbar bleibt.
LEA soll ein geschützter Ort sein, an dem man ehrlich sprechen darf: über Belastung, über Liebe, über Verlust. Ein Raum, in dem Angehörige und Trauernde sich gegenseitig stützen, zuhören, verstehen. In dem man wieder atmen darf.
Uns war wichtig, dass es dabei nicht um Diagnosen oder Schubladen geht, sondern um den Menschen:
Darum, wie sich das eigene Leben anfühlt, wenn jemand krank ist, den man liebt.
Darum, was passiert, wenn Trauer und Hilflosigkeit zu groß werden.
Darum, wieder in Kontakt zu kommen - mit sich selbst, mit anderen und mit dem Leben.
Dass wir für dieses Herzensprojekt tatsächlich Unterstützung durch die Steiermärkische Sparkasse und den Fördertopf #weltvonmorgen erhalten haben, erfüllt uns mit tiefer Dankbarkeit. Denn es bedeutet, dass unsere Erfahrungen nicht nur Schmerz bleiben mussten, sondern zu etwas werden durften, das anderen helfen kann.
Unser eigener Weg, Angehörige zu sein, ist noch nicht zu Ende, aber wir blicken mit Hoffnung nach vorne.
Wir freuen uns auf Begegnungen, auf ehrliche Gespräche, auf stille Momente des Verstehens und darauf, dass Menschen sich in unseren Gruppen vielleicht ein Stück weniger allein fühlen, dort, wo man sich sonst von der ganzen Welt verlassen glaubt.
Denn genau dort beginnt Heilung: in Verbindung, im Mitgefühl und im Miteinander.
Schreib uns gerne eine unverbindliche Anfrage. Die Teilnahme an unserer Gruppe ist aktuell kostenlos.
Mehr Infos zum Projekt LEA.
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